Aus jeder Pore meiner Sprache…

Das Schreiben im Blog stagniert. Wieso war es früher so viel leichter? Warum kostet es mich heute so viel Überwindung Gedanken aus mir heraustreten zu lassen?

Ich denke mein Fehler besteht darin, dass ich heute nur mehr schreiben möchte, wenn mir etwas sicher scheint. (Und wie viel ist das schon?). So oft schwanke ich in meinem Urteil. Bin mir unsicher.
Früher war gerade diese Unsicherheit der Ausgangspunkt des Schreibens. Ja, der Reiz des Schreibens bestand gerade darin, andere an diesem Prozess einer Urteilsfindung teilhaben zu lassen. Schreiben war gerade das Präsentieren dieser Unsicherheit, des Unfertigen. Es war nicht selten Offenlegung meines Scheiterns.

Es ist dieser Mangel an Mut zur subjektiven Perspektive, der mich am Schreiben hindert. Mein Ich sitzt in der Falle eines Objektivierungswahns, der das subjektive Erleben im Schreibprozess nicht gelten lassen mag. Konkret: wie über ein Buch schreiben oder wie ein Urteil über einen Film abgeben, wenn es mir objektiv gar nicht möglich scheint. Ja, ich vielleicht nicht mal gewillt bin. Dafür gibt es Feuilleton, und Leute, die das so viel besser können. Nein, das ist nicht meine Vorstellung vom Medium Blog. Und dennoch möchte ich so schreiben können. Klar, abgeschlossen, fertig, um es in Stein zu hauen.

Es muss also darum gehen meiner natürlichen Veranlagung wieder Geltung zu verschaffen. Und die besteht nicht im Finden und Präsentieren von Antworten. Denn aus jeder Pore meiner Sprache quillt mir Subjektivität in die Zeilen. Es war ein Fehler dies als einen Mangel zu betrachten. Deshalb: diesen Wahn zum Objektiven in die Mottenkiste. Neubesinnung auf das Unvollkommene. Ein Zepter und eine Krone für mein (subjektives) Nicht-Wissen.

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5 Antworten zu Aus jeder Pore meiner Sprache…

  1. fifteenfeet schreibt:

    Lieber Alcide, es ist kein Fehler, wenn du nur noch schreiben willst, wenn dir etwas sicher erscheint. Das bist einfach DU. Aber wesentlich einfacher ist es natürlich, wenn man drauflos schreiben kann, so wie es einem aus den Fingern purzelt. Dabei anfangen zu denken über das Wie-und-warum-schreibe-ich-das-jetzt ist da meist hinderlich. Gerade die unausgegorenen Wörter, Sätze, … Gedanken sind die besten, weil sie authentisch sind.
    Andere geschriebene Dinge sind oft zwar schön und auch unterhaltsam zu lesen, wirken aber irgendwie steril.

    Aber mir kommt dieser Drang zum Hinterfragen des Schreibens auch bekannt vor… 🙂
    liebe Grüße an dich

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    • kersher schreibt:

      Genau. Da sehe ich das Problem. Einerseits will ich diese unterkühlte Sterilität in einem Text vermeiden, andererseits scheue ich aber auch das (unkontrollierte) Aus-Sich-Heraus-Assoziieren, dass dann zwar recht authentisch daherkommt, aber auch nicht sonderlich elegant wirkt.
      Liebe Grüße!

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      • fifteenfeet schreibt:

        Guten Morgen Kersher,

        das unterschreibe ich sofort!

        Die immer wiederkehrende Frage ist ja die, schreiben wir für uns oder schreiben wir für die Leser? 🙂
        Wenn man gefallen will, viele Likes oder Besucher auf seiner Seite haben will, dann geht das m.E. oft zu Lasten der Inhalte und der Spannung. Ich schreibe nicht, weil ich Hunderte Leser damit erreichen will, sondern, weil mir etwas auf der Seele liegt, ich etwas besonders Schönes oder auch Denkwürdiges erlebt habe oder weil ich meine Gedanken in Ordnung bringen will. Wenn man dann dazu noch die Gedanken anderer Menschen, auch Blogger, bekommt, ist das nur von Vorteil. Aber man sollte deshalb nicht schreiben, wie es gefällt, denn das kann man trainieren und dann wird es Einheitsbrei. Das will ich aber nicht, dann lass ich das lieber sein.
        Ich lese gerne Blogs unterschiedlicher Art und stelle immer wieder fest: der Inhalt hält mich fest, nicht der Schreibstil. Der krönt bestenfalls das ganze.

        Ich habe mal vor Jahren Ausschnitte aus einem Manuskript gelesen und dann, was ein Lektor draus gemacht hat. Das fand ich schlimm, der „Charakter“ des Autors ging dabei verloren, auch wenn sich die Grundversion an machen Stellen stolpernd las. Schade drum!

        Schreiben kann man trainieren, aber ist es das was wir lesen wollen? Einstudiertes Formulieren von Wörtern?
        Das einzige was ich mir zugestehe ist, dass ich am Ende eines Textes evtl. noch strukturiere, oder mir doch noch das passende Wort einfällt ;o). Das ist das, wobei mir das Schreiben sogar hilft: Abläufe wieder in die richtige Reihenfolge bringen und Ordnen meiner Gedanken. Darum, meine ich, fühle ich mich nach dem Schreiben oft besser.

        Schreib, lieber Kersher, schreib einfach so wie du bist. Ich mag deine Texte.

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  2. fifteenfeet schreibt:

    edit: Es ist nicht der „Charakter“ des Autors, sondern der Charakter seines Textes, wobei genau der den Autor widerspiegelt.
    (Sowas passiert natürlich nur dann, wenn man seine Kommentare…oder Texte… nicht kontrolliert.)
    🙂

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  3. kersher schreibt:

    Danke dir für deinen Kommentar! Im Idealfall sind Inhalt und Stil keine Gegensätze, sondern ergänzen einander. Vielleicht ist gerade dies das Geheimnis von „guter“ Literatur. Wenn ein Autor es schafft, die eigene seelische Verfasstheit, nicht nur über den Inhalt, sondern auch über den Stil mitzuteilen.
    Es gibt schöne Beispiele dafür: etwa ein frühes Gedicht von Goethe (Willkommen und Abschied) Im Rhythmus von „Es schlug mein Herz geschwind zu Pferde“ hört meint man beinahe das Pferd galoppieren. Das ganze Gedicht drückt den Überschwang und die Bewegtheit des Herzens aus. (Muss auch schnell vorgetragen werden; in der Goethe-Verfilmung von 2013 hat der Regisseur es Goethe langsam und pathetisch deklamieren lassen; da habe ich dann ausgeschalten).

    Den Charakter des Schreibers „weglektoriert“: kenne ich selbst bei Sachtexten. Da wird einem dann gnadenlos jedes kleine Füllwörtchen, jede kleine verspielte Element, jeder Anflug von Ironie, herausgestrichen. Bis der Text zu kalter, steriler Sachlichkeit verhärtet ist.

    Das ist ja das Schöne am Schreiben für sich selbst. Der Blog ist mein Reich. Da darf auch mal eine Metapher (oder viele, ach so viele) völlig daneben gehen… geht ja alles als Experiment durch… ;o)

    … und soll doch Freude machen, nicht in Arbeit ausarten!

    liebe Grüße!

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